"Behindert, weiblich – unsichtbar?!": Im dritten Teil der Online-Vortragsreihe „Disability Studies – Diversity für alle! Oder?“ referierte Dr. Heike Raab über „Gender und Dis/Ability im Kontext von Hochschule“.
Am 18. Juni 2020 hielt Dr. Heike Raab einen Vortrag zum Thema „Gender und Dis/Ability im Kontext von Hochschule“ im Rahmen der Vortragsreihe „Disability Studies – Diversity für alle! Oder?“. Raab studierte Politik, Soziologie, Geschichte und Erziehungswissenschaften in Gießen und Frankfurt und promovierte an der Universität Wien im Bereich Queer Studies. Derzeit ist sie als Lehrperson an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und Österreich in den Bereichen der Gender, Queer und Disability Studies tätig.
Zu Beginn ihres Vortrags sprach Raab über die aktuelle Corona-Pandemie und die daraus resultierende Online-Vortragsreihe. In dieser Pandemie kämen viele Problemlagen und Ungleichheiten zum Vorschein. Besonders gelte das in Bezug auf behinderte Frauen. Deren „generelle Unsichtbarkeit“ führe dazu, dass sie in Zeiten von Krisen häufig vergessen würden. Frauen mit Behinderung seien in diesen Zeiten vermehrt von Armut betroffen, organisatorischen Zwängen unterworfen und gehörten zum besonders gefährdeten Personenkreis.
Es wurden auch die Umstände weiblicher und/oder queerer Menschen mit Behinderung an Hochschulen thematisiert. Hier fällt auf, dass behinderte Frauen an Hochschulen wenig vertreten sind und dass die Bildungseinrichtungen nur begrenzt auf diese Personengruppe vorbereitet sind.
Im weiteren Verlauf des Vortrags ging Raab auf den Begriff Ableism ein. Ableism ist die einseitige Fokussierung auf körperliche und geistige Fähigkeiten einer Person und ihre Be- und Verurteilung – in Abgrenzung zu Ability (Fähigkeit). Dabei definierte Raab drei Handlungsfelder für ableismuskritische Gleichstellungspolitiken: Lehre, Studium und Personalentwicklung.
Um einen Bezug zur Praxis herzustellen, stellte Raab vier Modellprojekte vor, die sich mit der Gleichstellung von behinderten Menschen, vor allem weiblichen, befassen. Vorgestellt wurden die Projekte „PROMI – Promotion inklusive“, das insgesamt 45 HochschulabsolventInnen mit einer Behinderung die Möglichkeit zur Promotion ermöglichte, und das bereits abgeschlossene Projekt AKTIF (Akademiker*innen mit Behinderung in die Teilhabe- und Inklusionsforschung), ein bundesweites Netzwerk aus Forscher*innen mit und ohne Behinderungen, die Inklusions- und Teilhabeforschung betrieben.
Ein weiteres Projekt ist iXNet (inklusives Expert*innen Netzwerk), in dessen Rahmen gerade ein barrierefreies Internetportal entwickelt wird. Es soll u.a. Informationen zur Teilhabe von behinderten Menschen insbesondere in Beruf und Arbeit liefern und Kontakte zu Akademiker_innen mit Behinderungen und anderen Expert_innen vermitteln.
Als viertes Projekt wurde das „Fachkolleg Inklusion an Hochschulen gendergerecht“ erwähnt, welches das Bewusstsein für Gendergerechtigkeit und Inklusion schärfen will und eines der wenigen Projekte ist, das sich direkt an behinderte Frauen richtet.
Im Anschluss an den Vortrag hatten die Teilnehmer_innen die Möglichkeit, Fragen an die Referentin zu stellen, und es kam zu einem regen Informations- und Erfahrungsaustausch. Eine Feststellung der Diskussionsrunde war, dass der Aspekt der Intersektionalität – überschneidende Mehrfachdiskriminierung durch verschiedene Merkmale wie Geschlecht, Behinderung, Bildung – in hochschulischen Diskursen regelmäßig außer Acht gelassen werde. Hochschulen hätten sich demnach deutlich mehr für Diversität zu öffnen.
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Maria-Lina Ader
Christina Stockhorst